
Ballett Rossa im Autohaus Schmidt
1. November 2012

Im November 2011, beim traditionellen Martinsgansessen, wurde die Idee geboren, nach Dresden in die Semperoper zu fahren. Der Intendant unserer Oper, Axel Köhler, erzählte, dass er “Schwanda, der Dudelsackpfeifer” von Jaromir Weinberger in Dresden inszenieren werde.
Schwanda – was, Weinberger – wer? Unbekannter ging es wohl nicht, doch Herr Köhler wäre nicht er selbst, wenn er nicht mit ein paar Worten den Inhalt und die zu erwartende Musik so skizzieren könnte, dass Neugierde und Vorfreude geweckt wären.
Am 24. März war es dann so weit, ein bequemer Reisebus brachte uns bei strahlendem Frühlingswetter in die sächsische Metropole. Ein Augenblick der Muße in einem der vielen gefüllten Straßencafés blieb uns noch, dann hob sich um 18.00 Uhr der Vorhang zu einem Event, das den beteiligten Opernfreunden wohl lange in Erinnerung bleiben wird.
Die märchenhafte Geschichte vom Dorfmusikanten Schwanda, dessen Spiel die Herzen erwärmt, beginnt in der in sich geschlossenen Welt eines kleinen Gewächshauses. Dort wartet Dorotka auf ihren Mann. Ihr schneit der Räuber Babinsky, eine Art böhmischer Robin Hood, ins Haus. Der Räuber verliebt sich in die schöne Dorotka und wird enttäuscht. Das Mädchen ist eine verheiratete Frau. Nun setzt er alles daran, die beiden zu trennen, indem er den Schwanda verführt, der Königin mit dem Eisherzen aufzuspielen.
Das Gewächshaus vergrößert sich zum Eispalast, wo traurig eisige Melodien angesagt sind, denn die Königin, obschon selbst verschuldet, leidet unter ihrem Eisherzen. Erst Schwandas volkstümliche Melodie kann sie erwärmen, und wie im Märchen üblich, will die Königin ihren Retter heiraten. Wenn da nicht Dorotka wäre, die ihren Mann nicht aufgeben will. So landet Schwanda auf dem Richtplatz, denn eine Königin verschmäht man nicht. Zeit für Babinsky einzugreifen, tot möchte er den Schwanda dann doch nicht sehen. Kaum vor dem Richtbeil gerettet, verführt ein Streit zwischen den Eheleuten Schwanda zu einer Lüge und damit in die Hölle.
In der Hölle ist der Teufel los, zumindest seine Großmutter. Das Gewächshaus mutiert zur Werkhalle, in der die Neuankömmlinge durch eine Zahnradwalze gedreht werden, um der Hölle würdig zu sein. Babinsky betrügt beim Kartenspiel besser als der Teufel und gewinnt Schwanda für die Welt zurück.
Das Happy End hat einen Wermutstropfen: Babinsky kann Dorotka nicht gewinnen, sie bleibt ihrem Schwanda treu. Er verabschiedet sich zu neuen Abenteuern in die Wälder. Und zum Schluss singt der Chor Dorotkas Heimatlied.
Solisten, Chor, Tänzer und Musiker bringen in einer grandiosen Bühnenausstattung und phantasievollen Kostümen diese Oper zum Blühen, und sie gefällt in ihrer von Axel Köhler gewählten Anlage vor allem dem Publikum, das “Aida” nicht im weißen Raum mit rotem Sofa, oder den “Lohengrin” im Klassenzimmer bevorzugt. Erstaunlich ist, wie es dem Regisseur gelingt, zum Teil über hundert Personen auf der Bühne zu haben, die weder erstarrt noch wirr bewegt wirken. Und er versucht nicht, die Moral, die das Stück zur Genüge enthält, mit dem erhobenen Zeigefinger deutlich zu machen. Das überlässt Axel Köhler dem Publikum selbst – und das ist gut so.
Die Melodien dieser Oper sind so ins Ohr gehend, dass sie auch noch Tage nach der Aufführung nachklingen.
http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article13946176/Wo-Teufels-Omi-Cancan-tanzt.html
Es ist auch eine Freude, dass immer mehr Opernfreunde an den Fahrten teilnehmen. Waren es in Darmstadt zu den “Meistersingern”, wo Gerd Vogel einen hervorragenden Beckmesser sang, nur einige wenige, so steigerte sich die Zahl, die zur “La Traviata” nach Graz aufbrach. In Dresden war die Gruppe noch größer. In diesem Zusammenhang sei den Organisatoren recht herzlich gedankt.
Und noch etwas brachte diese Opernreise: Wir sollten aufhören, uns über das Café unserer Halleschen Oper zu beklagen. Dieser Raum, der ja nicht nur als Restaurant dient, sondern auch den kleineren Formaten, wie der “Gerüchteküche” – um nur eins zu nennen – ein Podium bietet, eignet sich auch deutlich besser als Ort für die Premierenfeiern als zum Beispiel die Räumlichkeiten der Semperoper.
Es ist schon etwas Wahres daran – Reisen bildet.

